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Hans Stoffel als Ziegenhirt um 1922 auf dem Cukm da DiggHans Stoffel als Ziegenhirt um 1922 auf dem Cukm da Digg

Noch mehr Geschichten von Hans Stoffel

 

Der Schlangenbändiger von Schlappin

Auf der Alp Schlappin (in der Nähe bei Klosters) hatte es eine grosse Schlangenplage. Die Alp konnte nicht mehr bestossen werden und die Bauern wussten sich nicht mehr zu helfen.

Eines Tages kam ein Handwerksbursche vom Tirol und hörte das Klagen der Bauern. „Euch kann ich helfen“, sagte er, „ihr müsst mir aber versprechen, wenn ich nicht mehr zurückkomme, meiner Mutter bis ans Lebensende zu helfen.“

Die Bauern versprachen dies und waren überglücklich, endlich jemanden gefunden zu haben, welcher ihnen helfen wollte.

Schon viele hatten es versucht, es aber nie geschafft und das Helfen erst noch mit dem Leben bezahlt.

Der „Tiroler“ nahm einen Rucksack voll Proviant, ein Beil, eine Flöte, sowie ein Säcklein mit geheimnisvollem Pulver mit.

Auf dem Weg zur Alp sah er haufenweise giftige Vipern herumtollen und es graute ihm.

Oben auf der Alp machte der Tiroler einen grossen Haufen Holz. Er war dabei aber sehr darauf bedacht; ja nicht eine Schlange zu berühren.

Neben dem Holzhaufen war die Alphütte, wo der Fremde sich vor den „Viechern“ schützen konnte.

Der Tiroler schüttete das geheimnisvolle Pulver in den Holzhaufen, zündete diesen an und fing an Flöte zu spielen.

Was sich in den nächsten Stunden abspielte, war grauenhaft. Tausende und abertausende Schlangen krochen an, stürzten sich ins Feuer und verbrannten elendiglich. Es rührte sich nichts mehr und der Tiroler wollte sich schon für die Rückkehr bereit machen. Da sah er, wie die Königin der Schlangen, eine etwa 5 Meter lange, armdicke weisse Viper durch die Luft geflogen kam.

Der Tiroler stürzte sich in die Hütte und verschloss die Türe.

Nachdem der Tiroler zur abgemachten Zeit nicht ins Dorf gekommen war, machten sich einige Einwohner auf den Weg zur Alp. Unterwegs trafen sie keine einzige Viper mehr an. Auf der Alp aber fanden sie den toten Tiroler.

Auf seiner Brust lag die Schlange. Diese hatte sich durch die verschlossene Tür gerammt und dem Tiroler den Brustkorb eingedrückt. Der Tiroler und die Schlange waren gleichzeitig tot.

Im Dorf begrub man den Wohltäter in allen Ehren und das Versprechen hielt man. Der Mutter ging es von nun an sehr gut, nur ihren Sohn konnte ihr keiner mehr geben.

Auf der Alp hatte es von dieser Zeit an keine Schlagen mehr. Das Vieh konnte wieder auf den Wiesen grasen und es soll heute noch eine sehr gute Alp sein.

 

 

Der fromme Älpler

Auf der Camaner Alp lebte vor vielen Jahren Christian Hänny in seiner Alphütte sehr einsam.

Er mied menschlichen Kontakt und wovon Christian lebte, wusste keiner so genau. Böses konnte man ihm aber nichts nachsagen, ausser dass man Hänny nie in der Kirche sah. Man munkelte, Hänny habe mit dem Teufel zu tun und nur deshalb sähe man den Christian nie!

Der Gemeinderat in Safien beschloss, diesen Nachreden auf den Grund zu gehen und man wollte Hänny überreden, die Kirche zu besuchen.

Wer aber sollte mit Christian sprechen? Nach langem Hin und Her war der Dorfpfarrer bereit, dies zu übernehmen. Bei Hänny angekommen, unterbreitete der Pfarrer Christian sein Anliegen.

„Nun, wenn es nichts Weiteres ist, so komme ich gerne am nächsten Sonntag in die Messe.“

Der Dorfpfarrer war sichtlich erleichtert und zog guten Mutes nach Safien zurück.

Die Dorfbewohner wollten ihm nicht recht glauben und als der Pfarrer erzählte, Hänny habe ihn fürstlich bewirtet und sei sehr höflich gewesen, kamen die Safier nicht mehr aus dem Staunen.

Am Sonntag war wie vermutet die Kirche zum Bersten voll. Alle waren gespannt, ob Hänny käme.

Zugleich war noch eine Taufe und so hatten die „Kirchgänger“ eine gute Ausrede.

Punkt 10:00 Uhr erschien Christian in der Dorfkirche in Safien. Hänny nahm in der hintersten Bank Platz. Alle Kirchgänger schauten gespannt nach ihm und erwarteten womöglich Wunder!

Der Dorfpfarrer begann mit der Predigt und erwähnte, dass ein verlorener Sohn wieder heimgefunden habe. Die Messe und die Taufe verliefen ohne nennenswertes und auch von Christian war nichts Aussergewöhnliches geschehen. Nur bei der Messe hatte Hänny leise vor sich her gelacht und bei der Taufe wurde Christian sehr nervös. Er hätte ein paar Mal die Bank verlassen, wenn ihn nicht andere Kirchgänger daran gehindert hätten. Nach der Messe bat der Dorfpfarrer Hänny zu sich ins Pfarrhaus und wollte von Christian über sein etwas ungewöhnliches Verhalten erfahren.

Christian war gerne bereit und berichtete: „Mitten in der Messe kam eine komische Gestalt in die Kirche. Sie war halb Mensch, halb Ziegenbock und hatte einen langen Schwanz. In der Hand trug er ein Fell, Die Gestalt spazierte durch die Bänke und machte sich Notizen.“ Der Pfarrer fragte Hänny, wen denn dieser Fremdling alles aufgeschrieben habe.

Christian konnte einige Namen nennen. Dem Pfarrer war es dabei nicht gerade wohl zu Mute, denn es waren ihm von der Beichte her bekannte Leute. Der Fremde konnte somit nur der Teufel sein, welcher eine Bestandsaufnahme gemacht hatte. Weil Hänny aber ein sehr frommer Mann war, konnte der Teufel sich vor Christian nicht unsichtbar machen.

„Warum wolltest du dann während der Taufe die Bank verlassen?“, fragte der Pfarrer Christian.

„Hättest du das Kind noch länger schief gehalten, so dass das Blut ihm aus er Nase tropfte, wäre ich nach vorne gekommen und hätte dir einen hingelangt, dass du dich dein Lebtag daran erinnert hättest“, gab Christian dem Pfarrer zur Antwort.

Dies alles hatte niemand bemerkt. Der Dorfpfarrer musste einsehen, dass Hänny trotz allem ein frommer Mensch war und bat ihn, ja niemanden etwas davon zu erzählen. Im Laufe eines Jahres starben alle, welche der Teufel aufgeschrieben hatte! Nur der Dorfpfarrer und Christian wussten, wo diese alle hingekommen waren.

Der Pfarrer besuchte Christian jedes Jahr ein paar Mal auf der Alp, bat ihn aber, ja nicht wieder die Messe zu besuchen. Ein zweites Mal würde er dieses Mitwissen nicht verkraften.

Im Dorf liess man Hänny von nun an in Ruhe. Er starb im hohen Alter einsam auf seiner Alp.

Der Pfarrer liess die Leiche von Christian in Safien beerdigen. Bei der Grabrede lobte er Christian als gottesfürchtigen Menschen. Die Safier konnten dies nie verstehen und glaubten, ihr Herr Pfarrer werde eben auch langsam alt!

  

 

Der Geist von Lachen

 Diese Geschichte soll wahr sein und sich zwischen 1900 - 1920 zugetragen haben. Lachen liegt im Kanton Schwyz und der Fluss heisst Aa.

 In Ems wohnte ein Metzgergeselle, welcher ein bisschen fremde Luft schnuppern wollte. So zog es ihn nach Lachen in die dortige Metzgerei. Weil Johann, so hiess der Metzgergeselle, gerne unter Leuten war, besuchte er jeden Abend die Wirtschaft. Er plauderte mit den Dorfbewohnern, trank seine Bierchen und manchmal gab es auch einen Jass.

Eines Abends erwiderte ihm aber kaum einer seinen Gruss. Sie sprachen kein Wort. Wie fast auf Kommando tranken sie das Bier aus und verschwanden eiligst. Auf seine Frage, was denn in die Dorfgemeinschaft gefahren sei, erhielt Johann keine Antwort. So blieb es ihm auch nichts anderes übrig, als zu bezahlen und den Heimweg anzutreten. Der Wirt atmete auf, als Johann die Wirtschaft verliess. Beim Hinausgehen fragte Johann den Wirt, was eigentlich los sei.

Der Wirt schaute ihn schräg an und murmelte: „Man sieht, dass du ein Fremder bist! Immer bei Vollmond, wie heute, erscheint Punkt 24:00 Uhr auf der Aa ein kleines Boot. Dieses ist mit einer Lampe beleuchtet. Auf dem Boot sitzt ein weisser Geist. Alle Dorfbewohner fürchten sich vor ihm und verkriechen sich so gut als möglich. Selbst der Pfarrer ha sich dahin geäussert, dass man dem Geist am besten aus dem Weg gehe, man wisse ja nie, was dieser vorhabe. Selber etwas zu unternehmen fehlt dem Pfarrer aber der Glaube und der Mut! Punkt 1:00 Uhr verschwindet aber das Boot mit dem Geist Richtung Zürichsee und ist bis zum nächsten Vollmond wie vom Erdboden verschluckt. Nun aber verschwinde Johann, denn es ist schon 23:30 Uhr und schliesse dich gut ein.“

Mit diesen Worten schubste der Wirt Johann zur Türe hinaus, schloss diese eiligst ab, löschte sofort das Licht und verschwand.

Da stand nun Johann allein auf der Strasse. Was sollte er tun? An Geister glaubte Johann nicht und Angst hatte er auch keine. So ging er nahe ans Ufer der Aa und versteckte sich hinter einem Baum. Der Mond schien wunderbar, die Nacht war auch schön angenehm und Johann dachte: „Hier mit meinem Schätzchen wäre schöner als auf einen eingebildeten Geist warten. Das schlug die Uhr 12 Mal. Es war Mitternacht und Geisterstunde. Und tatsächlich, es vergingen nur ein paar Minuten, da sah Johann ein kleines, beleuchtetes Boot auf der Aa daher gleiten. Das Boot war mit einer weissen Gestalt beladen. Just gegenüber Johann setzte das Boot zur Landung an. Die weisse Gestalt verliess das Boot und trug in der Hand eine Laterne. Als der Geist in nächster Nähe war, sprang Johann hinter dem Baum hervor und schlug dem Geist eine aufs Kinn, dass es nur so krachte! Metzgergesellen waren schon damals sehr kräftig und gewohnt, tüchtig zuzuschlagen. Der Geist sackte zusammen und fing an zu jammern. Johann riss das Tuch vom Geisterkörper und entdeckte keinen Geist, dafür aber einen Mann, den Johann als den Lachener Messmer erkannte. Johann nahm den immer noch bewusstlosen Messmer unter den Arm, das Leintuch und die Laterne in die andere Hand und lief so schnell er konnte zum Pfarrhaus. Dort pochte Johann an die Türe und rief: „Hier ist Johann mit dem Dorfgeist! Mach die Türe auf!“ Der Pfarrer hatte aber noch immer Angst und es dauerte eine Ewigkeit, bis er auf der Türe erschien. Er war bewaffnet mit einem Beil und einer Laterne. „Hier habt ihr euren Geist“, sprach Johann und legte den Messmer vor den Pfarrer. „Am besten holt ihr die Polizei und den Doktor, denn wo Johann dreinschlägt, wächst für längere Zeit kein Gras mehr.“ Der Pfarrer schaute den vor ihm liegenden Mann an und murmelte: „Das ist ja unser Messmer; so was!“

Dann sperrten sie gemeinsam den Messmer in die Besenkammer ein. Am Morgen verständigte der Pfarrer die Polizei; welche unverzüglich den Geist abholte. Auch der Doktor bekam Arbeit. Dem armen Geist fehlten einige Zähne und die Nase war auch zerschunden. Nun plötzlich erinnerten sich auch die Dorfbewohner, dass immer, wenn der Geist Unheil trieb, gestohlen wurde. Dem einen fehlten Würste oder Speck aus der Räucherkammer, dem anderen Brot oder Schnaps und den anderen Kartoffeln oder Wäsche.

Vor Gericht kam heraus, dass der Messmer eine grosse Familie hatte und mit dem kargen Lohn als Messmer nicht zurechtkam. So kam der Messmer auf die Idee, als Geist seine Vorratskammer etwas aufzubessern. Von der Kirche aus, wusste der Messmer ja, wie streng gläubig die Lachener waren und trotzdem an Geister glaubten. Das Gericht verurteilte den Messmer zu einer geringen Strafe, denn die Familie brauchte ja den Ernährer. Selbst der Gemeinderat sah ein, dass man mit so einem kleinen Lohn nicht anständig leben konnte. Deshalb setzten sie den Messmer wieder in sein Amt ein, ermahnten ihn aber, ja nicht wieder einen Geist zu spielen, denn mit dem „Herrn“ lasse sich nicht spassen. Gemeint war natürlich Johann. Am runden Tisch in der Dorfbeiz ging es in der nächsten Zeit turbulent zu und her. Jeder wollte dem Geist schon vorher eins auswischen, doch leider hatte aber keiner die Gelegenheit dazu. Der Geist wich ihnen ja immer aus!

Johann schmunzelte dabei und dachte für sich: „Na, ja weit weg von der Front gibt es alte Krieger.“

 

 

Herr Ober, ist alles bezahlt?

Einst lebten in Ems zwei Handwerksburschen, welche auf ihren „Trip“ auch in Tunesien gewesen waren und von dort eine schöne Mütze, verziert mit Mond-Sonne und Sterne, mitgebracht hatten.

Zur gleichen Zeit wohnte in Chur ein reicher Kaufmann, welcher hie und da auch nach Ems kam. Dieser Kaufmann war bekannt als Geizkragen und Rappenspalter und seine Geschäfte waren auch nicht immer stubenrein. Die zwei Handwerker kamen überein, dem Kaufmann einen Streich zu spielen und ihn etwas von seinem Geld zu erleichtern. So machten sie mit dem Sternenwirt ab, der selbstverständlich auch am ergaunerten Geld beteiligt sein wollte, folgendes ab: Wenn der Kaufmann das nächste Mal in Sternen komme, würden die zwei Handwerksburschen feudal essen, den besten Wein trinken und dicke Zigarren rauchen. Statt zu bezahlen, drehe aber ein Handwerker den Tunesierhut um und spreche: „Herr Ober, ist alles bezahlt?“. Der Wirt antworte darauf: „Jawohl, mein Herr“ und verabschiede sich freundlich von den Zweien. Tatsächlich erschien eines Tages der Kaufmann und das Abgemachte wurde durchgespielt. Der Kaufmann machte grosse Augen, als er dies sah und wollte unbedingt den Hut erwerben. Selbstverständlich gab es ein grosses Feilschen. Aber am Schluss trug der Kaufmann den Sieg davon. Er bezahlte dafür aber eine hübsche Summe, welche drei die Strolche, wie abgemacht, untereinander aufteilten.

Der Kaufmann fuhr vergnügt mit seiner Kutsche nach Chur und war stolz, so günstig zu dem Wunderhut gekommen zu sein. Der Kaufmann hielt schnurstracks vor dem Hotel Steinbock und liess sich aufs Beste bewirten. Nach dem feinen Dessert und der obligaten Zigarre drehte er den Hut um und fragte: „Herr Ober ist alles bezahlt?“ Der Ober schaute den Kaufmann aber ungläubig an, schüttelte den Kopf und murmelte: „Wohl wieder einer aus dem Waldhaus?“ Da versuchte es der Kaufmann nochmals. Diesmal wurde der Ober aber energisch und fragte, ob der Herr wohl noch alle Tassen im Schrank habe. Fein Essen und dann nichts bezahlen. Er solle sofort mit der Börse hervorrücken, sonst werde die Polizei geholt. Bei Wasser und bei Brot könne er sich dann überlegen, ob er nochmals auf diese miese Art betrügen wolle. Mit Mühe und Not konnte der Kaufmann gerade noch das nötige Geld zusammenbringen. Mit einer Wut im Bauch verliess er das Hotel, stieg in die Kutsche und fuhr im Galopp Richtung Ems. Unterwegs lud er noch seinen Sohn auf. Eine Hilfe bei zwei so grossen Gaunern konnte nicht schaden. Dass der Wirt nicht minder war, kam dem Kaufmann nicht einmal in den Sinn! Der Sohn des Kaufmanns war aber gerade das Gegenteil des Vaters. So konnte er keine grosse Hilfe sein. In seiner grossen Wut schaltete der Kaufmann aber nicht. Die drei Strolche feierten unterdessen ihren Übertölpelungssieg. Da hörten sie einen heranrollenden Wagen und schalteten sofort. Hier war Handeln dringend nötig, sonst wäre das schöne Geld wieder weg.

Der Hutbesitzer legte sich im Nebenzimmer auf eine Bank und liess sich mit einem Leintuch zudecken. Er spielte also den Verstorbenen. Sein Kumpan sass daneben und trauerte um seinen Freund. Eine Kerze konnte auch noch schnell angezündet werden. Dann betrat auch schon der Kaufmann polternd das Wirtshaus. „Wo sind diese zwei Betrüger und Gauner? Wenn ich sie erwische, drehe ich ihnen den Hals um!“, wetterte er mit hochrotem Kopf und bekam fast keine Luft mehr. „Oh, die sind schon bestraft“, berichtete der Wirt. „Der Hutbesitzer hat vor lauter Freude über seine Schandtat einen Herzschlag erlitten und ist Mausetot. Sein Freund sitzt untröstlich neben ihm und ist Waldhausreif! Beide sind übrigens im Nebenzimmer.“ Der Kaufmann konnte sich nicht halten und stürzte ins Nebenzimmer. Dort sah er den „Leichnam“ und einen untröstlichen Freund. Dieser schluchzte und jammerte ununterbrochen. „Dies ist mir gleich!“, schrie der Kaufmann. „Ich drehe beiden den Hals um!“ Da schaltete sich der Sohn ein: „Vater versündige dich nicht und lass die Toten in Frieden. Sein Freund ist auch bestraft genug und wird zeitlebens daran zu beissen haben. Zudem wärst du nicht so geldgierig gewesen, hätten sie dich auch nicht erwischt.“ Da war der Kaufmann in seiner Ehre getroffen. „Na ja, du hast recht, aber diesem Halunken scheisse ich noch ins Gesicht.“ Ehe irgendjemand reagieren konnte, hatte der Kaufmann schon die Hosen runter gelassen und stand auf der Bank. Dann bückte sich der Kaufmann und wollte sein Gesagtes in die Tat umsetzen. Dies war aber für die „Leiche“ zu viel. Sie biss dem Kaufmann in den „Glockenstuhl“, dass es nur so knirschte. Diesmal war es aber für den Kaufmann zu viel. Er sprang schreiend von der Bank, zog im Hinausspringen die Hosen an, machte einen Sprung in die Kutsche und „Hü, hot“ weg war er. 

Der Sohn hatte allem zugeschaut, grinste heimlich und sprach zu den drei Halunken: „Meinem Vater geschah recht. Geld hat er immer noch genug und eine Lehre hat er auch noch erhalten. Allerdings eine recht teure. Nun macht ihr euch aber schleunigst aus dem Staub, bevor sich mein Vater es anders überlegt!“

Der Wirt tat nach wie vor, wie wenn er von allem nichts wisse. Die zwei Strolche liessen sich nicht zweimal bitten und verschwanden schleunigst aus Ems.

Der Kaufmann hatte noch eine Weile mit dem „Leichenbiss“ zu kämpfen. Am meisten ärgerte er sich aber, dass er auf so plumpe Weise zweimal hereingefallen war. „Nur durch Schaden wird man klug“, sagte der Sohn. Wie recht hatte er!

 

 

 

Die nachfolgenden Erzählungen hat Hans so abgeändert, dass diese auf Trin zutreffen. Ich habe fast identische Erzählungen im Buch von Caminada „Die verzauberten Täler; alte Bräuche in Graubünden“ gelesen.

 

 

Die schwarze Katze auf Maliens

Auf der Maiensäss Maliens erschien dem Knecht Gian Caprez eines Abends beim Melken eine schwarze Katze, die mit der Pfote das Stalllicht auszulöschen versuchte. Der Knecht schlug mit einem Beil nach der unheimlichen Pfote, dass ein Stück davon unter die Stallbank flog. Mit einem Schrei verschwand die Katze. Am Morgen entdeckte der Knecht unter der Bank einen abgehauenen Finger, woran er den Ring seines Hausmeisters erkannte. Als der Knecht mit der Milch heimkam, sagte man, der Meister sei krank im Bett, weil er sich am Vorabend im Keller beim Fleischabhauen einen Finger weggeschnitten habe. Seither gehen sich Meister und Knecht soweit möglich aus dem Weg. Geschwiegen haben aber beide.

 

 

Das Doggi von Digg

Eine Frau in Digg beklagte sich bei einer Freundin, dass sie jede Nacht ein schreckliches Albdrücken habe. Die Freundin riet ihr, bei Nacht eine Axt mit abwärts gerichteter Schneide auf die Brust zu legen. Die Frau tat es, aber mit aufwärts gerichteter Schneide, weil sie sich vor dem Schneiden fürchtete. In der gleichen Nacht fühlte sie wieder das Albdrücken, aber nur ganz kurz. Als sie nämlich aufwachte, lag die Freundin, welche den Rat gegeben hatte, tot über ihr auf der Axtschneide. So hatte das „Doggi“ ein Ende gefunden und die Frau wählte in Zukunft ihre Freundinnen besser aus.

 

 

Der Fuchs von Trin

Eine Lugnezerin führte vor Jahren Waren von Chur ins Lugnez. In Trin erkundigte sich eine Frau, ob sie einen Sack für sie mit nach Flims mitnehme. Sie weigerte sich dessen, weil sie ohnehin zuviel geladen hatte. Als der Wagen innerhalb von Trin plötzlich steckenblieb, weil die Wagenräder sich nicht mehr umdrehten, schaute sie unter den Wagen und sah einen Fuchs, den sie gründlich mit dem Stock, besonders am Kopf, bearbeitete. Der Fuchs machte sich aus dem Staub und die Frau konnte weiterfahren. Anderntags sah man in Trin eine Frau mit verbundenem Kopf herumlaufen!

 

 

Die aufsässige Elster

Ein Bauer, welcher von Tamins nach Trin fuhr, wurde dauernd von einer Elster belästigt. Diese wurde so frech und pickte im rasanten Tempo alle vier Splinte von den Achsen und flog mit ihnen davon. Der Bauer schlug mit der Peitsche nach der Elster und traf diese an einem Flügel. Ein paar Federn flogen zu Boden. Als der Bauer diese aufheben wollte, verbrannte er sich die Finger, so dass er die Federn liegen liess. Dem Bauer blieb nichts anderes übrig, als das Pferd auszuspannen und ohne Wagen nach Trin zu gehen. Am anderen Morgen ging er mit Pferd und 4 neuen Splinten zurück zum Wagen. Beim Wagen angekommen, war aber alles in bester Ordnung. Alle Splinte waren auf den Achsen und auf dem Wagen fehlte nichts. Der Bauer spannte das Pferd ein und fuhr nach Trin. Nur mit seiner Frau stimmte etwas nicht. Diese Trug ein Kopftuch und klagte über Kopfschmerzen. Beim näheren Hinschauen sah man, dass ein Ohr zerfetzt war und auf der Backe Streifen von Peitschenhieben waren. Später stellte sich heraus, dass ihr Liebhaber noch bei ihr war und sie ihren Gatten etwas aufhalten wollte. Nur mit den Peitschenhieben hatte sie nicht gerechnet.

 

 

Die schwarze Katze beim Tirolerbrunnen 

Als Hans zur späten Stunde nach einer Stubeta von Tamins auf den Heimweg nach Trin war, strich ihm beim Tirolerbrunnen (unterhalb der Stallung Roman Casty) eine schwarze Katze über die Beine und versuchte, Hans zu Fall zu bringen. Da half alles „hau ab“ nichts. Bei jeder Abwehr wurde die Katze grösser und fauchte Hans beängstigend an. Hans bekam es mit der Angst zu tun. Hilfe konnte er aber keine erhoffen, denn wer hörte um diese Zeit schon seine Rufe? Da kam ihm in den Sinn, dass er in der Tasche einen Rosenkranz hatte. Hans zog diesen heraus und hielt das Kreuz der Katze vor die Nase. Die Katze bekam glühende Augen, gab furchtbare Schreie von sich und verschwand mit mächtigen Sätzen Richtung Canaschal. Hans eilte nach Hause. Er musste dort aber zuerst einen Schnaps nehmen und schlief hundsmiserabel. Die nächtlichen Ausflüge nach Tamins liess er in Zukunft aus, oder höchstens noch in Begleitung. Seine Zimmervermieterin lächelte nur auf den Stockzähnen, als Hans ihr sein Erlebnis erzählte und meinte: „So kommst du mindestens früher ins Bett und bist am anderen Morgen fit!“

 

 

Die feurige Hacke

 In Trin-Mulin sah man bei Vollmond, Freitag Punkt Mitternacht einen Mann mit einer feurigen Hacke herumirren und hörte ihn fragen: „Wo soll ich ihn hin tun?“ Die Müllner verkrochen sich bei solchen Nächten vorsorglich schon früh nach Hause und schauten nicht hinaus. Wie es so sein musste, war an einem solchen Abend ein Trinser, welcher sich einen über den Durst getrunken hatte, auf dem Heimweg. Er sang als guter Sänger ein Liedchen vor sich hin und hoffte, bald ins Bett tauchen zu können. Da sah er auf dem Pradener Boden den gefürchteten Geist mit feuriger Hacke und hörte das Gemurmel: „Wo soll ich ihn hin tun?“ Ohne gross zu überlegen gab der Betrunkene zur Antwort: „Tue ihn dorthin, wo du ihn genommen hast.“ Da gab es einen Jubelschrei vom Geist und dieser war blitzartig verschwunden. Der Trinser torkelte nach Hause und glaubte etwas Komisches geträumt zu haben. Am Morgen sah man auf Prada einen noch nie gesehenen Marchstein. Da erinnerte man sich, dass es vor vielen Jahren einen Streit um die Grenze gegeben hatte und die Marchen nirgends aufzufinden waren. Der arme Sünder musste aber lange büssen und als Geist mit der feurigen Hacke solange geistern, bis ihn ein durstiger Trinser erlöste.

Heute wagen sich auch wieder die Müllner bei Vollmond und Freitag zu überhocken, sofern sie Ausgang bekommen und der Wirt sie nicht hinaus-schmeisst.

 

 

Der Geist von Canaschal

Hans und Robert glaubten, dass es bei der Burg auf Canaschal Schätze zu finden gab. So gingen die Beiden in der Nähe von Vollmond hinauf zur Burg und gruben mit Schaufel und Pickel nach Schätzen. Im Eifer schauten sie nicht auf die Uhr und so konnte es vorkommen, dass es Mitternacht wurde. In Trin hörte man, je nachdem wie der Wind wehte, das Schaufeln und Pickeln hie und da auch Worte. „Dort oben muss ein Geist sein Unwesen treiben.“ Dies wurde bald zum Dorfgespräch. Da zogen Hans und Robert vor, mit der Schatzsuche aufzuhören. Gefunden haben sie ausser ein paar Flaschen nichts. Diese stammten vermutlich von vorgängigen Schatzsuchern. Geschmunzelt haben aber beide, so schnell kann man zu einem Geist werden ohne Böses zu tun. Angeblich soll der Pfarrer mit einem Bann den Geist vertrieben haben.

Wer´s glaubt wird selig!